Chronische Polyarthritis (Rheumatoide Arthritis, CP)

Die chronische Polyarthritis (CP) ist eine entzündliche Systemerkrankung, deren Hauptmerkmal eine Gelenksentzündung ist. Das Krankheitsspektrum reicht von einer entzündlichen Gelenksschwellung bis hin zur Zerstörung der betroffenen Gelenke.


In Österreich sind 0,5 bis zwei Prozent der Bevölkerung von der chronischen Polyarthritis betroffen, die oft auch als rheumatoide Arthritis bezeichnet wird. Obwohl die Erkrankung in jedem Alter auf- treten kann, gibt es einen Häufigkeitsgipfel zwischen dem vierten und dem sechsten Lebens-jahrzehnt. Frauen sind dreimal so häufig betroffen wie Männer.


Wie entsteht die chronische Polyarthritis?

Die Ursache für das Entstehen der chronischen Polyarthritis ist unbekannt, eine Infektion als Auslöser ist möglich, jedoch nicht eindeutig bewiesen. Genetische Faktoren sowie Umwelt-einflüsse spielen eine wichtige Rolle für den Krankheitsverlauf und das Ausmaß des Entzündungsprozesses.

Durch bisher noch nicht bekannte Faktoren kommt es zu einer Fehlsteuerung des Immunsystems mit der Bildung von Botenstoffen -sogenannten Zytokinen-, die eine Entzündung der Gelenksinnenhaut hervorrufen. Diese Entzündung zieht eine Verdickung der Gelenksinnenhaut nach sich. Durch die Einwanderung von Abwehrzellen und eine Vermehrung von bindegewebebildenden Zellen entsteht der "Pannus" - ein tumorähnliches Gewebe, das den Knorpel überwuchert und zerstört.

Unterschiede zwischen Arthrose und Rheumatoider Arthritis (© Alila - Fotolia.com)
Unterschiede zwischen Arthrose und Rheumatoider Arthritis (© Alila - Fotolia.com)

Im Rahmen der chronischen Polyarthritis kommt es auch zur Bildung von Auto-Antikörpern, von denen die Rheumafaktoren und Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide (sog. CCP-Antikörper) die bekanntesten sind. Das Auftreten eines Rheumafaktors ist für die chronische Polyarthritis nicht spezifisch, es kann auch bei einer Reihe von anderen Erkrankungen dazu kommen. Zudem ist nicht bei allen Patienten mit chronischer Polyarthritis ein Rheumafaktor nachweisbar. Bei klinischem Verdacht auf Vorliegen der Erkrankung und fehlendem Nachweis von Rheumafaktoren ist die Bestimmung der CCP-Antikörper sinnvoll.

Welche Symptome treten bei einer chronischen Polyarthritis auf? 

  • Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, leichte Temperaturerhöhung
  • morgendliche Steifigkeit der Finger
  • symmetrisch auftretende Gelenksschwellungen, zu Beginn oft in den Fingergrund- und Fingermittelgelenken
  • Auftreten von Rheumaknoten - derbe Knötchen unter der Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke (eher erst bei fortgeschrittener Krankheit)

 

Welche Komplikationen können auftreten?

Im Laufe der Erkrankung kann es zum Auftreten von Gelenksergüssen kommen. Da es sich bei der chronischen Polyarthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist sowohl ein entzündlicher Befall innerer Organe (z.B. Herz, Lunge) als auch eine Entzündung der Gefäße (Vaskulitis) möglich. Mit fortschreitender Gelenkszerstörung kann die Krankheit durch Gelenksversteifungen und Gelenksdeformitäten zur Invalidität führen.

 

Was kann man selbst tun, um das Fortschreiten zu verzögern?

Die chronische Polyarthritis ist eine immunologische Erkrankung, der Einsatz von immunmodulierenden Medikamenten - das sind Präparate, die das Immunsystem beeinflussen - ist daher unumgänglich. Lediglich durch konsequentes Einhalten der von Arzt oder Ärztin verschriebenen Medikamente kann ein Fortschreiten verhindert bzw. verzögert werden.

Bei CCP-positiven Patientinnen und Patienten ist ein Zusammenhang zwischen Rauchen und der Erkrankung beschrieben worden. Strikte Nikotinabstinenz wird daher empfohlen.

Wie stellt der Arzt die Diagnose? 

Die Diagnosefindung beruht auf dem Nachweis entzündlicher Gelenksschwellungen. Röntgen und Laboruntersuchungen werden in weiterer Folge zur Diagnosesicherung eingesetzt. 

  • Im Röntgen können für die Polyarthritis typische Veränderungen - wie etwa eine gelenksnahe Osteoporose oder Erosionen (Defekte im Bereich der Knorpel-Knochengrenze) - nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer chronischen Polyarthritis und (noch) unauffälligem Röntgen ist der Einsatz einer MRT (Magnetresonanztomographie) oder eines hochauflösenden Ultraschalls sinnvoll, da Entzündungen der Gelenksinnenhaut (Synovitis) auf diesem Weg oft frühzeitig nachgewiesen werden können.
  • Die Blutwerte ergeben häufig eine Entzündung mit erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit und erhöhtem C-reaktiven Protein (CRP). Bei 85 Prozent der Patienten mit chronischer Polyarthritis werden im Serum Rheumafaktoren gefunden.

Folgende Hinweise deuten auf eine Frühform einer chronischen Polyarthritis (early arthritis) hin:

  • Morgensteifigkeit (mindestens eine halbe Stunde)
  • Gelenksschwellungen von zumindest einem Gelenk, vor allem im Bereich der kleinen Fingergelenke
  • Schmerz beim Zusammendrücken der Fingergrundgelenke (Händedruck)


Wie wird die chronische Polyarthritis behandelt? 

Da es sich bei der chronischen Polyarthritis um eine Erkrankung handelt, die in vielen Fällen zur Gelenkszerstörung führt, ist ein Therapiebeginn zu einem möglichst frühen Zeitpunkt - am besten noch vor Auftreten der Gelenksdestruktionen - sinnvoll. Prinzipiell muss bei jedem Patienten, der unter Gelenksschwellungen leidet, an das Vorliegen einer chronischen Polyarthritis gedacht werden.

Nach der Diagnosesicherung sollte rasch mit einer immunmodulierenden Therapie (Basistherapie) begonnen werden. Ziel der Behandlung ist es, den Entzündungsprozess zu stoppen und damit die Gelenkszerstörung aufzuhalten bzw. einzubremsen. Derzeit sind vor allem folgende Medikamente als Basis-Therapeutika erfolgreich in Verwendung:

Standardbasistherapien

  • Methotrexat (MTX)
  • Sulfasalazin
  • Leflunomid

Biologika (Biologicals)

  • TNF-Blocker (Infliximab, Etanercept , Adalimumab, Golimumab, Certolizumab, Pegol):

hemmen den entzündungsfördernden Botenstoff TNF-alpha (Tumornekrosefaktor alpha)

  • Abatacept: Antikörper-Therapie, die eine Aktivierung der T-Lymphozyten unterbindet
  • Tocilizumab: Antikörper zur Blockade der Wirkung des entzündungsfördernden Botenstoffes Interleukin-6 (IL-6)
  • Rituximab: hemmt gezielt die B-Lymphozyten, wichtige Entzündungszellen bei der chronischen Polyarthritis, die z.B. Rheumafaktoren bilden.

Sämtliche Biologika werden meist in Kombination mit Standardbasistherapien (vorwiegend Methotrexat) verordnet.

Die Wahl der Basismedikation erfolgt individuell, nicht jedes Medikament ist bei jedem Patienten gleichermaßen wirksam. Vorerst kommen Standardbasistherapeutika und hier vor allem Methotrexat zum Einsatz. Die übliche Methotrexatdosis beträgt dabei bis zu 25 bzw. 30 Milligramm Methotrexat ein Mal pro Woche. Sollte nach drei Monaten kein oder kein ausreichender Erfolg (das Therapieziel ist eine sogenannte Remission, das bedeutet maximal ein druckschmerzhaftes oder geschwollenes Gelenk) erreicht werden, so kann der Rheumatologe/die Rheumatologin mit einer Kombinationstherapie bestehend aus Methotrexat und einem Biologikum beginnen. Ausnahme ist Rituximab, das erst nach Versagen eines TNF-Blockers zum Einsatz kommen darf.

Vor Beginn einer Biologikatherapie muss eine Infektion (vor allem das Vorliegen einer Tuberkulose) ausgeschlossen sein, und der Patient sollte sämtliche Basisimpfungen einschließlich einer Grippe- und Pneumokkenimpfung abgeschlossen haben.
Standard-Basistherapeutika brauchen vier bis zehn Wochen, bis ihre Wirkung - meist in Form eines Rückgangs der Gelenksschwellungen und/oder einer Abnahme der Morgensteifigkeit - für den Patienten erkennbar wird. Die Wirkung von Biologicals ist meist binnen kurzer Zeit bemerkbar.

Die Anwendung von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), die entzündungshemmend sowie schmerzstillend wirken, darf nicht als Ersatz für eine Basismedikation angesehen werden. Die sogenannten COX-2-selektiven NSAR stellen eine Weiterentwicklung dieser Medikamentengruppe dar und zeichnen sich durch ein größeres Sicherheitsprofil in Hinblick auf den Magen-Darm-Trakt aus. Patienten mit kardiovaskulärem Risiko sollten allerdings nicht primär mit NSAR und damit auch nicht mit COX-2-selektiven NSAR behandelt werden.

Die Gabe von Kortison kann bei ausgeprägten entzündlichen Gelenksschwellungen vorübergehend notwendig sein. Diese Therapie sollte jedoch nur so lange wie unbedingt erforderlich durchgeführt werden, da bei Langzeit-Anwendung Nebenwirkungen auftreten können (z.B. Osteoporose).

Bei anhaltender entzündlicher Schwellung eines oder weniger Gelenke kann eine Gelenkspunktion mit der Injektion eines Kristallkortison-Präparats zum Erfolg führen.


Welche nicht-medikamentösen Maßnahmen gibt es?

Physikalische Maßnahmen umfassen unter anderem Kältebehandlung oder Elektrotherapie - und der Einsatz der Ergotherapie, die unter anderem die Versorgung mit Lagerungs- und/oder Funktionsschienen sowie das Erlernen gelenksschonender Bewegungsabläufe beinhaltet.

Die Möglichkeiten der Orthopädie, Patientinnen und Patienten mit chronischer Polyarthritis zu helfen, sind vielfältig und reichen von einer Entfernung der entzündlich veränderten Gelenksinnenhaut bis hin zu einem künstlichen Gelenksersatz.


Prognose

Der Verlauf der chronischen Polyarthritis ist höchst individuell und für den einzelnen Patienten nicht vorhersehbar. Aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil der Betroffenen unbehandelt binnen weniger Wochen Gelenkszerstörungen aufweist, ist der rasche Beginn einer Basistherapie notwendig. Eine Vielzahl von Untersuchungsergebnissen und die klinische Erfahrung zeigen, dass die chronische Polyarthritis durch konsequentes Einhalten einer Basistherapie erfolgreich behandelt werden kann und oft sogar ein Stillstand der Gelenkszerstörungen möglich ist.

Regelmäßige Kontrollen bei einem speziell ausgebildeten Arzt sowie Kontrollen der Röntgenaufnahmen und Blutbefunde sind dabei unerlässlich, um etwaigen Medikamenten-Nebenwirkungen im gegebenen Fall rasch entgegenwirken zu können bzw. um - bei Nichtansprechen auf die Therapie - die Basismedikation zu ändern